Über hundert Wohnungen werden in einem gewachsenen Quartier auf Rasenflächen beantragt und verwaltungsintern diskutiert. Erst nach einem halben Jahr werden endlich der Baubürgermeister und nach einem weiteren Vierteljahr der Stadtrat und zeitgleich die betroffene Öffentlichkeit informiert, zu einem Zeitpunkt, zu dem die Gestaltungsmöglichkeiten sehr klein geworden sind.
Beim Palais Riesch wird gekürt von einem Wettbewerbsgremium, besetzt maßgeblich aus dem Stadtplanungsamt, ein moderner Entwurf vorgestellt. Dieser löst im Bauausschuss fraktionsübergreifend spontanes Entsetzen aus, als wäre im Raum ein böser Geist aus der Flasche entwichen. Auf den Protest aus Öffentlichkeit und Politik hin wird ein neuer Wettbewerb von der CG-Gruppe ausgelobt und ein besserer Entwurf gefunden. Es geht also, wenn man nur will.
Der ebenfalls in einem durch das Stadtplanungsamt initiierten Wettbewerb ausgewählte Entwurf für ein geplantes Hotel an der Ringstraße wird im Rahmen eines Grundstücksverkaufes durch fraktionsübergreifende Nachverhandlungen von der Politik nachgebessert. Obwohl die Stadtplanung Stein und Bein geschworen hatte, dass dort nichts mehr zu ändern sei und selbst die Änderung der Fassade und der Dachdeckung ausgeschlossen sei.
Für die missratene Architektur eines Hotels an der Marienbrücke wird die Gestaltungskommission in Mithaftung genommen, obwohl ihr das Projekt mit dem Hinweis unterbreitet wurde, dass bereits Baurecht besteht. Im Übrigen ist die Gestaltungskommission mit einem Maulkorb versehen, darf sich öffentlich nicht äußern und gibt lediglich unverbindliche Empfehlungen ab. Weitere Nackenschläge für die Baukultur in Dresden werden folgen, insofern bleibt die Diskussion in nächster Zeit unausweichlich erhalten.
Stadtrat Tilo Wirtz (DIE LINKE), Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung und Bau:
"Seitens der LINKEN werden wir die Flinte nicht so schnell ins Korn werfen und um die Baukultur kämpfen. Dazu gehört eine harmonische und gefällige Gestaltung von Gebäuden und Baugebieten genauso wie ein behutsamer Umgang mit Nachverdichtungen. Dazu sind wir bereit, konstruktive Kontroversen mit Investoren zu führen und - wo es erforderlich ist - Widerstand zu leisten. Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit zeigen, dass das Stadtplanungsamt den bestehenden Spielraum nicht ausnutzt. Dazu müssen wir aber rechtzeitig und umfassend informiert werden. Sonst drohen weitere Fehlentwicklungen bei der Stadtentwicklung."
Die Informationspolitik des Stadtplanungsamtes beschränkt sich auf die Herbeiführung unbedingt notwendiger Beschlüsse und zu wenig auf vorausschauende Steuerung der Stadtentwicklung. Diese soll ohne Beeinflussung von Politik und Öffentlichkeit dem Stadtplanungsamt vorbehalten sein. Die Öffentlichkeitsarbeit des Stadtplanungsamtes erfüllt erkennbar derzeit nur eine Funktion der Vermittlung des vermeintlich Unausweichlichen und nicht die der Beteiligung der Öffentlichkeit an der Entwicklung ihrer Stadt.
"Es liegen zahlreiche Anregungen auf dem Tisch, teils in anderen Städten gang und gäbe. Von der Besetzung von Wettbewerbsgremien über Nachverdichtungsleitlinien bis hin zu Gestaltungsgrundsätzen, bei deren Nichtbeachtung sehr wohl über die Aufstellung eines Bebauungsplanes mit Veränderungssperre laut nachgedacht werden kann, wird es seitens der LINKEN keine Denkverbote geben. Missratene Architektur schönreden ist nicht investorenfreundlich, denn sie gerät zur Fehlinvestition.", so Wirtz weiter.
Bedauerlich ist, dass im jüngsten Interview des Baubürgermeisters die Gestaltungskommission lediglich als Ort der folgenlosen Diskussion und als Alibi für die Verwaltung eine Rolle gespielt hat. Wenn das Stadtplanungsamt so gar nicht willens und in der Lage ist, berechtigten Forderungen der Gestaltungskommission zur Wahrung der Baukultur mit harten Maßnahmen Nachdruck zu verleihen, muss über die Existenzberechtigung dieser Runde neu nachgedacht werden. Oder der Stadtrat muss die Verwaltung enger auf Beschlüsse festlegen.
Auf Antrag der Fraktion DIE LINKE wird die Diskussion zur Lage der Baukultur in Dresden in einer aktuellen Stunde im Stadtrat weitergeführt werden.
Dateien: Antrag_LINKE_.pdf
Kategorien: Wirtz, Pressemitteilung, Stadtentwicklung und Bau
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