Überraschend hat gestern das Rathaus die fristlose Kündigung der Rathaus-Planer verkündet, die auch die Verantwortung für die Bauleitung hatten. Die ARGE msp Architekten/IB Schmid stellte daraufhin mit sofortiger Wirkung ihre Tätigkeit ein. Als Vorwand, von Gründen möchte man nicht sprechen, wurden einige Unzulänglichkeiten benannt, die mit den enormen Kostensteigerungen von 25 Millionen Euro auf 37 Millionen Euro für den ersten Realisierungsabschnitt nichts zu tun haben und wohl auf jeder schwierigen Baustelle vorkommen. Nach Darstellung des Geschäftsbereichs von Bürgermeister Vorjohann (CDU) war "das zwischen Auftraggeber und der ARGE unerlässliche Vertrauensverhältnis irreparabel geschädigt". Dies geschah allerdings wohl mehr dadurch, dass sich die Planer nicht zum Sündenbock für unrealistische Erwartungen machen und für ihre Arbeit auch noch nach Honorarordnung bezahlt werden wollten, so sind die "Differenzen" beim "Auftreten der ARGE" zu verstehen.
Eine fristlose Kündigung von einem Augenblick zum anderen verhindert eine geordnete Übergabe der Baustelle an eine eventuell nachfolgende Bauleitung, vernichtet die gesammelten Erfahrungen mit den spezifischen bautechnischen Problemen des Neuen Rathauses und hat das Potenzial, nach den Problemen mit den Kosten auch noch den Bauablauf mangels planmäßiger Koordinierung zu chaotisieren. Daraus können Terminverzögerungen und weitere Kostensteigerungen resultieren. Verantwortlich ist der Finanzbürgermeister Vorjohann, aus dessen Liegenschaftsamt noch 2008 eine Kostenschätzung zu dem Ergebnis kam, dass das gesamte Rathaus für 25 Millionen Euro zu sanieren sei, was offensichtlich völlig unrealistisch war. Trotzdem sollten die Architekten für Mehrkosten an anderer Stelle Einsparungen nachweisen. Wenn allerdings überall nur das Mindeste gemacht wird, ist eine Einsparung unmöglich ohne Baustandards zu verletzen. Die Kostensteigerungen um etwa die Hälfte des ursprünglich veranschlagten Budgets für den ersten Bauabschnitt fielen auf andere Ursachen als Planungsmängel des Architekten zurück:
1. Der Stadtrat selbst hatte im Baubeschluss 2010 umfangreiche Änderungen gewünscht (gegen die Stimmen der LINKEN), die Millionen gekostet haben.
2. Weiter wurden seitens des Hochbauamtes nachträglich Änderungen gewünscht (z. B. BOS-Funk).
3. Der Zustand des nach dem Krieg notdürftig wieder aufgebauten Baubestandes war schlimmer als erwartet.
4. Das Rechnungsprüfungsamt kam zur Erkenntnis, dass der Architekt nicht ausreichend mit der Vorplanung beauftragt worden war, eine alte vorhandene Projektstudie eines anderen Büros erwies sich als nicht hinreichend tief.
5. Kostensteigerungen durch erhöhte Baunebenkosten (Planungskosten) im Realisierungsabschnitt 1 kamen teilweise zustande, weil Aufträge, die das gesamte Rathaus betrafen, nur dem Realisierungsabschnitt 1 zugewiesen wurden.
Dazu erklärt Stadtrat und Bauingenieur Tilo Wirtz (DIE LINKE):
"Die fristlose Kündigung war ein schwerer Fehler. Wenn überhaupt, hätte man einen Aufhebungsvertrag mit einer geordneten Übergabe der Baustelle abschließen müssen. Herr Vorjohann wird lernen müssen, dass man mit Verdrehung der Tatsachen und mit management-by-Anschiss und -Rausschmiss nicht erfolgreich bauen kann."
Die Formulierung der Stadt in ihrer Pressemitteilung "stete Zurückweisung jeglicher Kritik, Suche nach Schuldigen anstelle von Kooperation und Problemlösung" charakterisieren eher den Finanzbürgermeister als das als Sündenbock geopferte Architekturbüro. Auf einen Hochbauamtsleiter wird Herr Vorjohann die Verantwortung nicht abschieben können: Der letzte hat ja auf eigenen Wunsch die Baustelle Stadtverwaltung/Hochbauamt gerade verlassen.
Kategorien: Wirtz, Pressemitteilung
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